Das Bergische will in Sachen CO2-Verminderung teilweise die EU überholen. Trotz der gewaltigen Herausforderungen tritt die Wirtschaft nicht als Bremser auf – ganz im Gegenteil.
Hinweis zum Bild vom ZNHOCH3:
Isabel Herper ist Nachhaltigkeitsreferentin bei der Stadt-Sparkasse Solingen. Das Unternehmen befand sich zum Zeitpunkt der Berichterstattung im Entscheidungsprozess zum Beitritt zum Zukunftskreis Nachhaltigkeit HOCH3. Im November sind sie dem Netzwerk beigetreten.
IHK-Magazin Bergische Wirtschaft Ausgabe 10/2021
Auszug des Leitartikels:
Städtedreieck als Klima-Vorbild
GEMEINSAM NACHHALTIG
Der neue IHK-Präsident Henner Pasch hat den Kampf gegen den Klimawandel zu einem Kernthema seiner Amtszeit ausgerufen. „Den Planeten zu retten, ist eine Aufgabe, die gesellschaftlich und wirtschaftlich angegangen werden muss“, sagte er kurz nach seiner Wahl. Änderungsprozesse seien nötig, sagte er, aber die Wirtschaft müsse diese mit anstoßen.
Gerade im Bergischen scheint der Konflikt zwischen Status Quo und Ziellinie groß. Wer Klimaschutz auf die harte Tour erleben möchte, sollte ins Bergische Land kommen, sagt jedenfalls Wuppertals Oberbürgermeister Uwe Schneidewind. Denn die Ausgangsposition für das Städtedreieck sei auf dem Papier denkbar schlecht: „Wir haben kein Geld, dafür aber eine ungünstige Topographie. Unsere Städte gehören zu den autogerechtesten überhaupt, und unsere Wirtschaft zeichnet sich bekanntlich durch eine hohe Industriedichte aus.“ Doch gerade hier sieht das Stadtoberhaupt eine große Chance.
„Wenn wir zeigen, was möglich ist, ist das ein Mutmacher für die gesamte Republik“, so Schneidewind. Wuppertal will demnach eine Vorbildfunktion einnehmen. Die Pläne der Stadt in Sachen Klimaneutralität sind jedenfalls ambitioniert. Auf dem Weg zur Klimaneutralität 2050 hat Wuppertal die Zielmarke für 2020 bereits erreicht – dank dem Aus für das Kraftwerk an der Kabelstraße. Für die Klimaneutralität setzt der OB für Wuppertal auf die Marke 2035. „2030 wäre allein aus technologischen Gründen nicht machbar. Aber fünf Jahre später, das ist zu schaffen“, sagt er. Es sei ein „riesiger ökonomischer Kraftakt, der aber vertretbar sei“.
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Zusammenschluss von Firmen
Um Aktivitäten im Städtedreieck zu bündeln und Synergien zu nutzen, ist vor vier Jahren der „Zukunftskreis Nachhaltigkeit hoch3“ entstanden. Zu den offiziellen Teilnehmern des Netzwerks zählen, Stand Anfang September, neben Städten und Organisationen unter anderem die Unternehmen AWG, Barmenia, Cambio, Coroplast, CSCP, E/D/E, Knipex, MR Fotografie, Media Nova, Neue Effizienz, Offset Company, Stadtsparkasse Wuppertal, Stannol, Vaillant, Vollack, Vorwerk und WSW. Die erklärte Mission ist, sich gegenseitig inhaltliche und praxisnahe Impulse zu geben, nachhaltige Ideen, Aktivitäten sowie Projekte weiterzuentwickeln und sie in andere Unternehmen zu adaptieren. „Im ZN3 sind Unternehmen und Organisationen vertreten, die ihre gesellschaftliche Verantwortung sehen, für Werte stehen und Haltung zeigen. Wir wollen die Zukunft gemeinsam aktiv gestalten“, sagt Jennifer Probst. Sie ist Nachhaltigkeitsbeauftragte der E/D/E-Gruppe und Gründungsteilnehmerin, Koordinatorin sowie eine von zwei Ansprechpartnern des ZN3.
Ihr Kollege ist Stephan Bongwald, im Hauptberuf seit zehn Jahren Nachhaltigkeitsbeauftragter der Barmenia. Um die Jahrtausendwende hat der Wuppertaler Versicherer begonnen, eine Vielzahl von Maßnahmen umzusetzen. „Innovative Versicherungslösungen beinhalten Nachhaltigkeitskriterien wie Nachhaltigkeitsfonds in der Lebensversicherung, CO2-Nachlass in der Kfz-Versicherung und Energieeffizienz in der Hausratversicherung. Bei den Investitionen wird auf Sozial- und Umweltverträglichkeit geachtet. Ausschlusskriterien wie Menschenrechtsverstöße durch Staaten oder Umweltschäden durch Unternehmen steuern den Kapitalfluss.“ Im Geschäftsbetrieb der Wuppertaler Hauptverwaltungen werde seit 2015 klimaneutral gewirtschaftet. Die Pläne der EU zum Green Deal und die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie sieht Bongwald als notwendig, um die ökologische Situation nicht weiter zu verschärfen: „Mit den weltweiten Waldbränden und dem Starkregen mit Hochwasser in Deutschland erleben wir Katastrophen, die uns zukünftig noch häufiger treffen werden. Unsere Pflicht ist es, jetzt zu handeln, um das Tempo des Klimawandels abzuschwächen. Das 1,5-Grad-Ziel muss unser Ziel sein – und die 2 Grad absolute Pflicht.“ In den letzten zwei Jahrzehnten habe das Unternehmen in vielen Bereichen Expertise aufgebaut. „Es wäre sträflich, wenn Nachhaltigkeitsexperten ihr Wissen für sich behalten würden. Das Netzwerk ermöglicht den Wissenstransfer untereinander. Das sind die Gründe, warum wir uns im ZN3 engagieren. Durch die Nähe zum Forschungsprojekt UrbanUp vom TransZent sprechen wir auch von Wissenssharing.“
Theoretische Grundlagen
Die Teilnehmer treffen sich regelmäßig, um sich über Kernfragen, Trends und Erfahrungen im betrieblichen Nachhaltigkeitsmanagement auszutauschen und aktuelle Fragestellungen zum Themenbereich des nachhaltigen Wirtschaftens zu diskutieren. Die theoretischen Grundlagen dafür schuf Verena Hermelingmeier in ihrer Dissertation. Sie arbeitet beim TransZent, dem Zentrum für Transformationsforschung und Nachhaltigkeit der Bergischen Universität und des Wuppertal Instituts. Der Strategiekreis, dem Hermelingmeier angehört, hat die Impulse aufgegriffen und in Strukturen gebettet. Seitdem gibt es Aufgaben- und Themenkreise, die sich mit verschiedenen Fragestellungen beschäftigen wie Marketing/Public Relations und die Planung von Netzwerkveranstaltungen sowie Projekten.
Burkhardt Mast-Weisz: Neue Hallen bedeuten für ihn auch Platz für Photovoltaik. „Neue Unternehmen sind stets herzlich willkommen“, betont Jennifer Probst. Nach zwei bis drei Treffen sollte man sich dann entscheiden, ob man sich an dem Netzwerk beteiligen und dort engagieren möchte. Alle teilnehmenden Unternehmen haben dazu eine freiwillige Selbstverpflichtung in Form einer Absichtserklärung unterschrieben. Zuletzt fand eine Veranstaltung bei Coroplast statt, auf der auch die Stadtsparkasse Solingen als potenzielles Neumitglied vertreten war. Auch sie engagiert sich nach eigenen Angaben für die „Transformation zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Gesellschaft“. Seit 2020 hat die Stadtsparkasse Solingen dafür eine Nachhaltigkeitsreferentin, erst als Werkstudentin, anschließend in Vollzeit, eingestellt: Isabel Herper vollendete Anfang des Jahres ihr Masterstudium im Bereich „Sustainability Management“. Sie bündelt nachhaltigkeitsbezogene Aktivitäten im Haus und hat unter anderem einen entsprechenden Arbeitskreis eingerichtet, um das Thema umfassend zu betrachten. Auch der Vorstand ist darin involviert „und treibt die Themen aktiv mit voran“, wie sie betont. So konnte im Bereich Betriebsökologie bereits eine Klimabilanz erstellt werden, auf deren Basis langfristig die Klimaneutralität angestrebt wird sowie im Vertriebsbereich das Produktportfolio um mehrere nachhaltige Produkte erweitert werden. „Zudem wird das Thema Nachhaltigkeit bei jeder Anlageberatung aktiv angesprochen.“ Im Kreditbereich sowie bei den Eigenanlagen wurden darüber hinaus ebenfalls Ausschlusskriterien definiert, die bestimmte Branchen und Kriterien von einer Finanzierung oder Investition ausschließen. „Wir sind noch längst nicht am Ziel, aber wir haben uns auf den Weg gemacht“, so Isabel Herper.
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Dankeschön an Herrn Rüdebusch für die Möglichkeit der Veröffentlichung des Auszugs sowie an den Fotografen Herrn Kayaalp für die schönen Fotos: